Wetterflucht

Wetterflucht

Heute habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal eine Gruppe Mauersegler von fünf, manchmal auch bis zu zehn Tieren über unserem Haus jagen sehen. Seit ein paar Tagen ist das Wetter schlecht, es ist mit Temperaturen unter 10 Grad eher kühl, dabei windig und bewölkt. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum die Mauersegler nach einem frühen Vorstoß Mitte April vorerst anscheinend ihre Rückkehr in die Brutgebiete unterbrochen haben.

Seit zwei oder drei Tagen melden die Koloniebesitzer in den Foren immer häufiger die Rückkehr einzelner Segler in ihre angestammten Nistkästen, aber die große Welle steht noch aus. Natürlich wäre es schön, wenn in der heutigen Gruppe auch ein Besucher meiner Kästen vom letzten Jahr dabei gewesen wäre – leider war das nicht der Fall. Trotzdem war es schön anzusehen, wie sie einige Stunden immer wieder einmal bei uns vorbeikamen, dabei relativ tief immer entlang der Baumreihen vermutlich aufsteigende Insekten jagten und dabei immer hart am Wind segelten.

Gegen Abend war der Himmel dann wieder wie leer gefegt. Ich vermute daher, dass es sich bei dem heutigen Schwarm entweder um Zugvögel auf dem Weg in ihr Brutgebiet, oder um so genannte Wetterflüchtlinge handelte. Mauersegler sind nämlich wahre Wetterfrösche und erkennen schon im Voraus die Ankunft von Tiefdruckgebieten, die regelmäßig kühle Temperaturen, Wolken und Regen mit sich bringen. Der Flug von Insekten nimmt dabei ab und damit auch der Jagderfolg der Mauersegler. Längerfristig könnte solch eine Situation den Seglern sogar gefährlich und Kälte und Hunger lebensbedrohlich werden.

Die Wetterflucht ist ein Trick der Mauersegler, um dieser Gefahr zu entgehen. Vermutlich aufgrund der Luftdruckänderung als Vorbote großer Tiefdruckgebiete begeben sich die Segler auf so genannte zyklonale Wetterflüge, auf denen sie manchmal in sehr großen Gruppen entgegen der Drehrichtung des Tiefs im Uhrzeigersinn das schlechte Wetter einfach umfliegen. Sie können dabei große Strecken von mehreren Tausend Kilometern zurücklegen.


Aufnahme von ziehenden Mauerseglern entlang der Ostküste Englands. Innerhalb von vier Stunden wurden etwa 16.500 Tiere gezählt.

Falls die Segler in dieser Zeit bereits Küken zu versorgen haben, verbringen diese die Zeit ohne die regelmäßige Fütterung ihrer Eltern in einer Hungerstarre: Bei diesem torpide genannten Zustand fahren sie ihre Körperfunktionen wie die Temperatur, Atmung und sogar den Herzschlag herunter, um so möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Wenn die Außentemperatur nicht allzu sehr sinkt, können sie in diesem Zustand sogar bis zu zwei Wochen überdauern.

Auch die erwachsenen Segler sind zu einer Hungerstarre fähig, allerdings müssen sie aufgrund der enormen Belastung für die Körperreserven spätestens nach wenigen Tagen wieder Nahrung zu sich nehmen. Eine Wetterflucht ist daher die bessere Alternative zur Überbrückung von Schlechtwetterperioden.

Genau so eine ist bei uns noch für mindestens drei Tage angesagt, mit nächtlichen Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt, viel Wind und wenig Sonne. Sollen sie sich ruhig noch ein wenig Zeit lassen mit ihrer Rückkehr!

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